Zeitschriftenqualität und Wahrnehmung: Welche Aspekte sind in Bezug auf Open Access relevant?
In Bezug auf Open-Access-Zeitschriften wird immer wieder die Befürchtung geäußert, dass es sich dabei um minderwertige Zeitschriften handelt. Dies ist aber keineswegs zutreffend. Die Open-Access-Zeitschriften aller relevanten Verlage in den Lebenswissenschaften haben ein Peer-Review-Verfahren installiert.
Möglichkeiten, die Qualität einer Zeitschrift zu bestimmen
Um die Qualität einer Zeitschrift zu bestimmen, gibt es unterschiedliche Kriterien. Wichtigstes Kriterium ist sicherlich, ob eine Zeitschrift ein in der Community übliches Peer-Review-Verfahren anwendet. Des Weiteren sind die Besetzung des Herausgeber:innengremiums und das Renommee der dort vertretenen Wissenschaftler:innen ein wichtiger Anhaltspunkt für die Qualität der Zeitschrift. Auch der Inhalt sollte bei der Qualitätsbewertung einbezogen werden. Hier kann unter anderem die Durchsicht der Autor:innenliste einen Anhaltspunkt liefern. Die Frage ist also, ob andere (renommierte) Fachwissenschaftler:innen oder Mitglieder von Institutionen, die auf dem Gebiet tätig sind, dort veröffentlichen. Zudem sollte geprüft werden, ob der Inhalt der Artikel und der fachliche Zuschnitt der Zeitschrift zusammenpassen.
Sichtbarkeit und Wahrnehmung von Open-Access-Artikeln und Zeitschriften
Die Sichtbarkeit einer Zeitschrift sowie die Wirkung (engl. Impact) eines wissenschaftlichen Artikels werden üblicherweise mittels der Zitierhäufigkeit bestimmt. Aufgrund der besseren Sichtbarkeit von Open-Access-Zeitschriften steigt auch die Möglichkeit zitiert zu werden. Aktuelle Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass Open Access veröffentlichte Artikel eine 22 Prozent höhere feldnormalisierte Zitatrate haben als solche, die nicht frei zugänglich sind. Dabei wird die Häufigkeit, mit der ein Artikel zitiert wird, mit der durchschnittlichen Zitierhäufigkeit aller Artikel im Feld in Beziehung gesetzt. Insgesamt werden Open Access publizierte Artikel also besser wahrgenommen und häufiger rezipiert. Grundsätzlich gilt, dass Open-Access-Zeitschriften häufig noch junge Zeitschriften sind, die erst nach und nach ein Renommee aufbauen können. Generell lässt sich beobachten, dass sich der Unterschied hinsichtlich der Zitationsrate zwischen Open-Access-Zeitschriften und Nicht-Open-Access-Zeitschriften auch in lebenswissenschaftlichen Disziplinen wie z.B. der Medizin immer weiter ausgleicht.
Unterwanderung von Open-Access-Zeitschriften durch Paper Mills
Paper Mills sind Firmen, die gegen Geldzahlung wissenschaftliche Artikel und weitere unredliche Dienstleistungen anbieten. Ziel von Paper Mills ist die Erhöhung des Outputs von Wissenschaftler:innen, die sich hierüber Publikationen oder Autor:innenpositionen, die sie für die Reputationsbildung benötigen, kaufen. Auch die Steigerung von Zitationsraten für bereits veröffentlichte Artikel durch das Zitieren von Publikationen auch ohne thematischen Bezug ist ein weiterer „Geschäftszweig“ von Paper Mills.
Durch die massenhafte Einreichung von Artikeln durch Paper Mills kann die Qualität einer Zeitschrift leiden. Zum einen, weil die Artikel keine echten Forschungsergebnisse dokumentieren, sondern auf Plagiaten oder Datenverfälschungen basieren oder durch KI generiert wurden. Zum anderen, weil der Publikationsprozess manipuliert wird, indem Gutachter:innen oder Herausgeber:innen von der Paper Mill eingesetzt werden. Darüber hinaus müssen sich die Zeitschriften mit einem erhöhten Einreichungsaufkommen auseinandersetzen, was Ressourcen bindet.
Man geht davon aus, dass mehr als 3% des Publikationsaufkommens in den Lebenswissenschaften Paper Mills zugerechnet werden können. Diese Publikationen haben keinen wissenschaftlichen Wert und „verunreinigen“ daher den State-of-the-Art, weil sie nicht nach den Maßstäben der guten wissenschaftlichen Praxis zustande gekommen sind. Um ihre Zeitschriften vor einer derartigen Unterwanderung zu schützen, ergreifen Verlage und Herausgebende unterschiedliche Maßnahmen. Zu nennen sind hier zum Beispiel, Verifikation von Autor:innennamen und deren E-Mailadressen, Anfordern von zugrundeliegenden Forschungsdaten, Austausch von Einreichungsinformationen zwischen den Verlagen, Verbot von größeren Änderungen kurz vor Abschluss des Publikationsprozesses, technische Mittel, um automatisch generierte oder manipulierte Inhalte zu erkennen. Idealerweise greifen diese Maßnahmen noch bevor ein Manuskript das Begutachtungsverfahren durchläuft. Sollte die Entdeckung erst später erfolgen und der Artikel bereits publiziert sein, muss die Publikation zurückgezogen werden. Diese Artikel sollten nicht zitiert werden, um den Ergebnissen keine Legitimität zu verleihen.
Der Kauf von Publikationen bzw. Autor:innenschaft generell gilt als Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis.
Schaffung von unseriösen Zeitschriftenpendants – Predatory Publishing und Journal Hijacking
Hijacked Journals, eine spezielle Form der Predatory Journals, setzen auf Verwechslung, um Manuskripteinreichungen auf unseriöse Pendants von bekannten Zeitschriften zu erreichen und darüber Publikationsgebühren einzunehmen. Diese Zeitschriften verzichten auf ein gründliches Peer-Review-Verfahren und redaktionelle Kontrolle der eingereichten Manuskripte.
Hierzu werden beispielsweise parallele Internetauftritte erstellt, die der Website der seriösen Zeitschrift sehr ähnlich sehen und sich nur durch geringfügige Änderungen in der URL unterscheiden. Ein anderes Vorgehen ist die Neugründung von Zeitschriften, die sehr ähnliche Titel zu seriösen Zeitschriften haben. Weitere Varianten sind die Übernahme von abgelaufenen URLs oder das Erstellen von Internetauftritten für Printzeitschriften oder einer internationalen Webpräsenz für Zeitschriften, die eigentlich nur einen lokalen oder länderspezifischen Bezug haben.
Zudem wird berichtet, dass von Betreiber:innen entsprechender unseriöser Zeitschriftenpendants in Literaturdatenbanken die Links geändert und umgeleitet werden. Gleichzeitig wird damit auch erreicht, dass Artikel des unseriösen Zeitschriftenpendants in der Datenbank indexiert werden. Hierbei spricht man von Indexjacking.
Es wird empfohlen, Zeitschriften vor der Einreichung eines Manuskripts gründlich zu prüfen, insbesondere wenn man dort zum ersten Mal einreicht oder sich das Einreichungsverfahren verändert hat. Kriterien zur Überprüfung findet man unter anderem auf der Plattform Think-Check-Submit. Bekannte Hijacked Journals werden auf der Seite Retraction Watch Hijacked Journal Checker gesammelt.
In Predatory Journals/ Hijacked Journals können sich sowohl Artikel befinden, die nach den Maßstäben guter wissenschaftlicher Praxis erstellt wurden als auch solche minderer Qualität. Oftmals kommt auch generative KI zum Einsatz, um Artikel und Jahrgänge zu erzeugen und den Eindruck zu vermitteln, die Zeitschrift wäre in dieser Form schon lange am Markt. Basis hierfür bilden bereits erschienene Artikel aus seriösen Zeitschriften, die bearbeitet und/oder mit neuen Autor:innennamen versehen werden, ohne dass die Personen davon wissen.
Grundsätzlich eignen sich Publikationen in diesen Zeitschriften nicht zum Reputationsaufbau, weil die Qualitätssicherung durch die Begutachtung fehlt. Das wissentliche Einreichen mit dem Ziel, das Begutachtungsverfahren zu umgehen, kann als ein Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis gesehen werden. Idealerweise sollten Artikel aus diesen Zeitschriften auch nicht zitiert werden, um diese nicht zu legitimieren.
Bei Unsicherheit, ob eine Zeitschrift als seriös gelten kann oder nicht, helfen wissenschaftliche Bibliotheken weiter.
Qualität von Zeitschriften bei Verlagen mit sehr hohem Publikationsaufkommen
Bei einigen Open-Access-Verlage mit großem Zeitschriftenangebot und hohem Publikationsaufkommen wird immer wieder die Qualität angezweifelt, weil sie ein ähnliches Verhalten an den Tag legen, wie Predatory Journals bzw. durch sehr stringente Abläufe Druck bei Autor:innen und Gutachter:innen aufbauen. Durch die auf diese Weise erreichte Verminderung der Durchlaufzeit von Einreichung bis Abschluss des Begutachtungsverfahrens sowie das massenhafte Auflegen von Themenheften (Special Issues) entsteht zudem der Verdacht, dass diese Verlage und Zeitschriften auf eine Gewinnmaximierung mit Blick auf die Einnahmen von Publikationsgebühren aus sind.
Gleichzeitig sind diese Zeitschriften aber gerade wegen der schnellen Publikation bei Autor:innen durchaus beliebt, sofern sie in der jeweiligen Community auch ein gewisses Standing haben.
Hier wird empfohlen, die Zeitschriften einzeln zu betrachten und zu prüfen, ob man hier ein Umfeld z.B. bei der Zusammensetzung der Herausgebendenschaft, andere Autor:innen, inhaltliche Güte der publizierten Artikel etc. vorfindet, in dem man die eigenen Forschungsergebnisse gerne publizieren möchte. Auch Erfahrungsberichte von Fachkolleg:innen zu den Begutachtungsverfahren können bei der Qualitätseinschätzung helfen.
Aufgrund der anhaltenden Qualitätsdiskussion schränken einige Publikationsfonds die Finanzierung von Publikationsgebühren für manche dieser Zeitschriften ein. Hier wird empfohlen, sich vorher bei der Stelle zu erkundigen, die den Fonds betreut. Häufig ist das die Bibliothek einer wissenschaftlichen Einrichtung.
Siehe auch
Auswahl einer Zeitschrift: Wie findet man eine geeignete Zeitschrift zur Publikation von wissenschaftlichen Ergebnissen?
Gute wissenschaftliche Praxis, wissenschaftliches Fehlverhalten und wissenschaftliche Integrität: Was hat es damit auf sich?
Predatory Publishing oder Raubjournale bei Open-Access-Zeitschriften
Wissenschaftliche Reputation und Forschungsbewertung – was muss ich wissen?
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Dr. Jasmin Schmitz
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Quellenangaben
Kullman, L. (2014). The Effect of Open Access on Citation Rates of Self-archived Articles at Chalmers [Konferenzbeitrag]. IATUL, 2.-5. Juni 2014 – 35th Annual Conference – Aalto University, Espoo, Finland.
Moritz, A. (2013). Bibliometrische Analyse von Open-Access-Zeitschriften. Bibliometrie – Forschung und Praxis, 2.
Van Noorden, R. (2023). How big is science’s fake-paper problem? Nature, 623(7987), 466–467.
Grove, J. (2023). Leading Scientists Worldwide Are Victims of Fake Articles. Inside Higher Ed
Siler, K. et. al. (2021). Predatory publishers’ latest scam: bootlegged and rebranded papers. Nature, 598(7882), 563–565.
Abalkina, A. (2023). Challenges posed by hijacked journals in Scopus. Journal of the Association for Information Science and Technology, 75(4), 395–422.
Zusätzliche Informationen
Schmitz, J. (2024). Beyond Predatory Publishing: Weitere fragwürdige Angebote im wissenschaftlichen Publikationswesen. Scholarly Communications in Transition, 10. Januar 2024. (abgerufen am 28.05.2025)
Schmitz, J. (2025). Wie Hijacked Journals und Paper Mills den wissenschaftlichen State-of-the-Art verunreinigen. b.i.t. online, 28 (1), S.19-26, 20. Febuar 2025. (abgerufen am 28.05.2025)
Schmitz, J. (2024). Journal Hijacking: Neues Vorgehen stellt wissenschaftliches Publikationswesen vor weitere Herausforderungen. ZB MED Informationszentrum Lebenswissenschaften, 20. Februar 2024. (abgerufen am 28.05.2025)