Predatory Publishing oder „Schwarze Schafe“ bei Open-Access-Zeitschriften
Was ist Predatory Publishing?
Unter den Zeitschriften, die sich über Publikationsgebühren finanzieren, gibt es vereinzelt „Schwarze Schafe“, die für die Gebühren keine bis nur unzureichende verlegerische Leistung erbringen.
Entsprechende Geschäftspraktiken werden auch unter dem Begriff „Predatory Publishing“ zusammengefasst. Häufig geht das Geschäftsgebaren einher mit der Versendung von Spam-E-Mails, mit denen um Einreichungen gebeten wird. Darin werden auch unrealistisch kurze Fristen genannt, bis wann eine Begutachtung (Peer Review) des Artikels abgeschlossen sein soll, um zusätzliche Anreize zu setzen.
Während bei einigen Zeitschriften die zweifelhaften Absichten auf den ersten Blick ersichtlich sind, weil Einladungs-E-Mails und Zeitschriftenwebsite mit Tipp- und Ausdruckfehlern durchzogen sind, ist bei anderen Zeitschriften eine tiefergehende Recherche notwendig, um die zweifelhaften Absichten zu entdecken. Grund dafür ist unter anderem, dass diese Zeitschriften ihre Website und Titelbezeichnungen an das äußere Erscheinungsbild bereits bekannter Zeitschriften anlehnen und es so zu einer Verwechslungsgefahr kommt. Gelegentlich werden auch die Namen renommierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Herausgeber:innen genannt, ohne dass diese davon wissen.
Generell gibt es einen kaum quantifizierbaren Graubereich an Zeitschriften, die zwar seriöse Absichten haben, aber die in der jeweiligen Fachdisziplin gängigen Publikationsstandards noch nicht umgesetzt haben und daher weniger professionell wirken.
Gerade bei weniger bekannten Open-Access-Zeitschriften ist vor der Einreichung daher eine gesunde Skepsis angezeigt. Es gibt diverse Möglichkeiten, die Seriosität von Zeitschriften zu überprüfen.
Überprüfungsmöglichkeiten - Kriterienlisten
Um die Seriosität einer Zeitschrift zu bewerten, werden häufig folgende Kriterien vorgeschlagen:
- Ist der Webauftritt der Zeitschrift stimmig oder ist sie aus anderen Seiten wörtlich zusammenkopiert?
- Wird die Zeitschrift tatsächlich von den genannten Datenbanken ausgewertet? Handelt es sich um Literaturdatenbanken, die im eigenen Feld regelmäßig genutzt werden?
- Ist die Zeitschrift tatsächlich in den "Journal Citation Reports" ausgewertet und verfügt somit über einen „offiziellen“ Journal Impact Factor (JIF)? Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass Zeitschriften erst im dritten Jahr nach Erscheinen überhaupt einen "Journal Impact Factor" erhalten können. Allerdings erfinden unseriöse Zeitschriften teilweise Maße, die dem Journal Impact Factor ähneln oder berechnen diesen auf der Basis einer anderen Datengrundlage selbst.
- Ist der herausgebende Verlag Mitglied bei "Open Access Scholarly Publishers Association" (OASPA) oder "Committee on Publication Ethics" (COPE)? Kann die Mitgliedschaft verifiziert werden?
- Werden unrealistische Zeitangaben hinsichtlich des Abschluss des Peer-Review-Verfahrens gemacht? Seriöse Zeitschriften benötigen für die Begutachtung meist mehrere Wochen, wenn nicht sogar Monate. Sehr kurze Fristen deuten darauf hin, dass eine Begutachtung nur unzureichend oder gar nicht stattfindet.
- Machen die vertraglichen Vereinbarungen einen seriösen Eindruck? Bei Open-Access-Zeitschriften behalten die Autorinnen und Autoren ihr Nutzungsrecht. Zudem sind Publikationsgebühren erst nach Annahme einer Publikation zu entrichten und deren Höhe ist auf der Website klar benannt. Widersprüchliche Angaben deuten auf Unstimmigkeiten hin.
Insgesamt lässt sich diese Liste nicht als abgeschlossen betrachten. Weitere Kriterien listet die Initiative Think.Check.Submit. auf.
Viele Kriterien liefern erst in der Zusammenschau ein eindeutiges Bild. Informationen hierzu finden sich in der Dokumentation zu einem Workshop, den ZB MED im Dezember 2018 abgehalten hat.
Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, die eigenen Bedenken mit Fachkolleg:innen oder mit der Bibliothek zu besprechen.
Weitere Informationsmöglichkeiten
Es gibt mittlerweile eine Reihe von Plattformen, mittels derer man sich über Open-Access-Zeitschriften informieren kann. Hierbei geht es nicht nur um Seriosität, sondern auch um andere Aspekte wie Höhe der Publikationsgebühren, Ablauf des Review-Verfahrens etc. Die Plattformen variieren noch stark in der Anzahl der Zeitschriften, die sie auswerten. Als zusätzlich Informationsquelle sind sie aber durchaus geeignet.
Die bekanntesten Plattformen sind:
Directory of Open Access Journals (DOAJ)
Quality Open Access Market (QOAM)
Black Lists und White Lists
Um die Auswahl von Zeitschriften zu erleichtern und die Ausbreitung unseriöser Zeitschriften einzudämmen, wird häufig die Forderung nach sogenannten Black bzw. White Lists laut. Black Lists benennen tatsächlich und vermeintlich unseriöse Zeitschriften, White Lists hingegen benennen Zeitschriften, die für eine Publikation empfohlen werden.
Die bekannteste Black List ist die „Bealls’s List“, benannt nach dem amerikanischen Bibliothekar Jeffrey Beall, dem Initiator dieser Liste. Die Liste gilt als umstritten, weil sie stark subjektiv ist. Mittlerweile ist die Liste nicht mehr online verfügbar, wird aber an anderer Stelle von anonymen Betreiber:innen weitergeführt.
Ein Beispiel für eine fachübergreifende White List ist die Aufstellung „Meist-zitierte Open-Access-Zeitschriften des Nationalen Kontaktpunkts für Open Access".
Der Informationsanbieter Cabell’s bietet jeweils eine kommerzielle Black und White List an, die allerdings lizenzpflichtig ist.
Die alleinige Konsultation von Black bzw. White Lists zur Ermittlung der Seriosität einer Zeitschrift oder eines Verlages wird als äußerst problematisch gesehen. Auf Black Lists können Zeitschriften Eingang finden, die zwar seriös sind, aber gängige Publikationsstandards in einer Fachdisziplin noch nicht erfüllen und daher weniger professionell wirken. Aufgrund fehlender Löschmöglichkeiten im Internet haftet dann das Label eines Predatory Journals womöglich noch lange an der Zeitschrift, obwohl diese sich längst professionalisiert hat. White Lists agieren je nach Kriterium sehr selektiv und sind somit nicht vollständig. Zudem kann sich eine Aufnahme in die Liste – je nach Intensität der Prüfprozesse – verzögern.
Warum ist Predatory Publishing problematisch?
Einmal davon abgesehen, dass ein Täuschungsversuch unternommen wird, der mit wissenschaftlicher Redlichkeit nicht vereinbar ist, ist insbesondere das unzureichende Peer Review problematisch. Hier können ungeprüfte Ergebnisse veröffentlicht werden, die eventuell – man denke an den medizinischen Bereich – sogar Schaden anrichten können. Frei erfundene Herausgeber:innengremien können zudem renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Misskredit bringen.
Sind Open-Access-Zeitschriften grundsätzlich problematisch?
Obwohl „Predatory Publishing“ von Kritiker:innen als Argument gegen die Open-Access-Bewegung angeführt wird, kann nicht gefolgert werden, dass Open-Access-Zeitschriften grundsätzlich problematisch sind. Das Gros der am Markt agierenden Zeitschriften ist seriös und hat die in der jeweiligen Fachdisziplin gängigen Verfahren zur Qualitätssicherung der Inhalte (Peer Review) installiert!
Ausweitung auf Konferenzen – Predatory Conferences oder Predatory Meetings
Zunehmend wird in diesem Zusammenhang auch vor Konferenzen gewarnt, die massiv um Einreichung von Beiträgen werben und von Referentinnen und Referenten ungewöhnlich hohe Teilnahmegebühren verlangen. Nach Eingang der Zahlung werden diese dann beispielsweise informiert, dass die Konferenz lediglich virtuell stattfindet. In anderen Fällen werden zeitgleich am selben Ort unterschiedliche Konferenzen abgehalten, mit dem Ziel der Gewinnmaximierung, oder eine Konferenz ist ungewöhnlich breit angelegt, sowohl was die Thematik als auch den Adressat:innenkreis angeht. In allen Fällen erfüllt die Konferenzteilnahme nicht ihren Zweck, weil ein fachlicher Austausch nicht möglich ist. Die Plattform Think.Check.Attend listet Kriterien auf, an denen man unseriöse Konferenzen erkennen kann.
Siehe auch
Peer Review: Warum ist es wichtig?
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Kontakt
Dr. Jasmin Schmitz
Leitung Publikationsberatung
Tel: +49 (0)221 478-32795
E-Mail senden
Weiterführende Links
Open Access Scholarly Publishers Association (OASPA)
Committee of Publication Ethics (COPE)
Directory of Open Access Journals (DOAJ)
Quality Open Access Market (QOAM)
Think. Check. Submit.
Think. Check. Attend.
Predatory Journals (Weiterführung der Beall's List)
Zeitschriftenliste des Nationalen Kontaktpunktes Open Access
Cabell's Scholarly Analytics
Schmitz, J. et al. (2018). Dokumentation zum Vernetzungsworkshop zu Predatory Publishing bei ZB MED. ZB MED Informationszentrum Lebenswissenschaften, 20. Dezember 2018. (abgerufen am 20.12.2022)
Zusätzliche Informationen
Publisso (2020). Predatory Publishing: Wie kann ich beim Publizieren oder Lesen unseriöse Open-Access-Zeitschriften erkennen? [Flyer] ZB MED-Publikationsportal Lebenswissenschaften.
Bartlewski, J. & Schmitz, J. (2020). Das nehmen wir aber jetzt persönlich! – Analyse von SPAM-Mails von Zeitschriften und Konferenzen. ZB MED Informationszentrum Lebenswissenschaften, 3. Dezember 2020. (abgerufen am 20.12.2022)
Schmitz, J. & Schmeja, S. (2019). Bericht zum Workshop „Was tun, wenn es passiert ist? Umgang mit Publikationen, die bei einem Predatory Journal eingereicht wurden.“ ZB MED Informationszentrum Lebenswissenschaften, 29. November 2019. (abgerufen am 20.12.2022)